Die Aktion Bombay - Entwicklung, Geschichte und Gegenwart einer Idee

Die Aktion Bombay wurde im Oktober 1957 ins Leben gerufen, als der junge, indische Kaplan Rupert D'Silva nach Deutschland kam. Er war zusammen mit Werner Seither, Diözesankaplan der CAJ des Bistums Speyer zu Gast im Hause von Kurt Wetzler, dem Vorsitzenden des Werkvolkes in der Diözese Speyer und Mitbegründer der CAJ in Deutschland. Dort wurde die Idee geboren, der indischen Arbeiterjugend durch eine Berufsausbildung bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz zu geben und damit ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Gleichzeitig sollte ihnen eine soziale Bildung vermittelt werden, die auf der Katholischen Soziallehre aufbaute.

Mit dem Besuch von Father Rupert D'Silva in Deutschland im Oktober 1957 fing alles an. Father Rupert D'Silva kam nach dem Besuch des Weltkongresses der CAJ in Rom nach Ludwigshafen. Bei einem Familienkreis des Werkvolkes im Haus von Kurt Wetzler erzählte er von der hohen Arbeitslosigkeit der indischen Arbeiterjugend. Er stellte seinen Plan vor, eine kleine Lehrwerkstätte zu errichten, wo Jugendliche einen handwerklichen Beruf erlernen und damit der Arbeitslosigkeit entfliehen könnten. Dazu wollte er einen Jungarbeiter in Deutschland ausbilden lassen, der dann in Bombay als Ausbilder (Instructor) tätig werden sollte. Ob man ihm dabei helfen könne, war seine Frage an die deutschen Gastgeber. Dies und die eindrucksvolle Predigt des indischen Kaplans beim Gottesdienst der CAJ in Zweibrücken machte nachdenklich und forderte eine Aktion heraus. In den folgenden Wochen und Monaten war bei allen Besprechungen der CAJ und der CAJ-Kapläne im süddeutschen Raum ein Programmpunkt auf der Tagesordnung: "Patenschaft für einen Inder".

Die Patensöhne kommen nach Deutschland.

Im Juli 1958 kam der erste Patensohn Victor D'Costa nach Ludwigshafen und wohnte bei Kurt und Klara Wetzler. Er begann eine Schlosserlehre bei der Firma Giulini in Ludwigshafen. Nach Abschluss seiner Lehre arbeitete er bei BBC in Mannheim und der BASF und machte seine Meisterausbildung. Im Anschluss daran absolvierte er einen Halbjahreskurs am Sozialinstitut des Werkvolkes in Hohenaschau und ging dann als erster Ausbilder nach Bombay zurück. Der zweite Patensohn war Cajetan D'Souza. Er wohnte in Zweibrücken bei Familie Natter und erhielt bei der Firma Dingler eine Ausbildung als Starkstromelektriker. Auch er schloss seine Ausbildung mit der Meisterprüfung und einem Halbjahreskurs am Sozialinstitut in Hohenaschau ab. Er war bis Mitte 2001 an der Joseph Cardijn Schule in Bombay tätig, davon die letzten 10 Jahre als Ausbildungsleiter.

Danach kamen noch weitere 12 Patensöhne zur Ausbildung nach Deutschland. Sie erhielten in der Pfalz, in Augsburg und in München eine Ausbildung. Die Mannheimer KAB betreute das größte Kontingent. Maurice Fonseca, der eine Ausbildung als Kfz-Schlosser bei der BASF machte, wohnte wie Francis Mascarenhas bei der "Indien-Mutti" Frau Wietek in Mannheim-Gartenstadt. Aus der zweiten Mannschaft der jungen Inder hatten Anthony Mendonca und Praxedes Pinto bei der Familie Buttmi Quartier bezogen. Die Patensöhne Morris Hodges, Calisto Fernandes und Darryl Texeira waren bei Familie Rotter untergebracht und Familie Bichler hatte David Swamy aufgenommen. David Swamy ist heute noch an der Joseph Cardijn Schule tätig. Zwei der Patensöhne sind inzwischen verstorben. Einige leben im Ausland, davon zwei in Deutschland.

Die Josef Cardijn Technical School in Bombay, das Hauptprojekt der Aktion Bombay

Neben der Ausbildung der Patensöhne ging man bei der Aktion Bombay daran, die Lehrwerkstätte für Indien zu planen, bei der Manfred Schertler von der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung in Mannheim sie beraten und begleitet hat. Aus der Lehrwerkstätte wurde im Laufe der Planung dann eine technische Schule für max. 160 Lehrlinge pro Lehrjahr. Nach langen Verhandlungen zwischen der Aktion Bombay und dem Erzbischof von Bombay, Kardinal Valerian Gracias, dem bischöflichen Hilfswerk Misereor und dem bundesdeutschen Entwicklungshilfeministerium konnte 1963 mit dem Bau der Schule begonnen werden. Misereor finanzierte mit 600.000 DM das Gebäude und das Ministerium stellte 400.000 DM für die Einrichtung zur Verfügung. Der erste Bauabschnitt wurde 1964 von Papst Paul VI im Beisein von Joseph Cardijn eingeweiht. 1965 kehrten die ersten Patensöhne nach Indien zurück und konnten mit 28 Lehrlingen die Ausbildung beginnen. Bis heute wurden an der Schule über 2.000 Lehrlinge in den verschiedenen technischen Berufen ausgebildet. Die Finanzierung des Schulbetriebes war ein ständiges Problem und machte Spendengelder aus Deutschland notwendig.

Heute kann die Schule auf eigenen Füßen stehen. Durch die Kooperation mit einem Automobilhersteller, der die Autowerkstätte der Schule professionell betreibt und in der die Lehrlinge ihr zweites Lehrjahr absolvieren, hat sich die finanzielle Situation verbessert. Eine weitere Kooperation im Elektrobereich ist ebenfalls erfolgt. Nach mehr als 30 Jahren kann man heute sagen: Die Anstrengungen und der Einsatz für die Joseph-Cardijn-Schule haben sich gelohnt.

KAB- und CAJ-Gruppen als Stütze der Aktion Bombay

Der Schwerpunkt der Aktivitäten der Aktion Bombay lag an den Orten, wo CAJ und KAB vertreten und die Patensöhne zur Ausbildung waren: in Nordbaden, der Pfalz und verschiedenen Regionen in Süddeutschland. Durch die Spende eines Stundenlohnes der CAJ'ler, durch Altkleidersammlungen, durch Hungermärsche und Blutspendeaktionen kamen die Gelder zusammen, um die Kosten für Reise und Aufenthalt der Patensöhne in Deutschland zu finanzieren. Im KAB-Bezirk Mannheim war Erwin Buttmi einer der Akteure bei der Blutspendeaktion, der mit seinem VW Bus nicht nur die Spender nach Worms zum Roten Kreuz brachte, sondern sich, wie Alfred Peters sehr um die Patensöhne kümmerte und an den Wochenenden mit ihnen unterwegs war. Zu erwähnen sind auch die beiden Hauptamtlichen der KAB in dieser Zeit, Horst Roos und Rosel Burkhart.

Durch den unermüdlichen Einsatz vieler CAJ'ler und Werkvolkmitglieder war es möglich geworden, dass die Aktion Bombay bei ihrem ersten Projekt so erfolgreich werden konnte. Auch bei den nachfolgenden Projekten gibt es immer wieder Gruppen und Einzelpersonen, die nicht müde werden, die Aktion Bombay bei ihren Aktionen der "Entwicklungshilfe durch Partnerschaft" für die Menschen in Indien zu unterstützen.

Weitere Projekte der Aktion Bombay

Im Jahre 1985 kam ein weiteres Projekt hinzu. Die Vorsitzende des KAB Diözesanverbandes Speyer und Mitglied des Kuratoriums, Hertha Lieberich wünschte, dass auch für Mädchen und Frauen in Indien entsprechende Aktivitäten entwickelt würden. Bei einer Studienreise traf man die belgische Ordensschwester Jeanne Devos, die sich für die Hausmädchen, die in den Haushalten der Mittel- und Oberschicht unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiteten, engagierte. Sie gründete eine Organisation, die Bombay Houseworkers Solidarity, die in Bombay heute über 6.000 und in ganz Indien 30.000 Mitglieder zählt. Die Zielsetzung der Organisation ist es, humane Arbeitsbedingungen durchzusetzen und die rechtliche Gleichstellung der Hausmädchen mit anderen Arbeiterinnen zu erreichen. Die Aktion Bombay hat für dieses Projekt den Kauf von Büroräumen finanziert und sich bereit erklärt, das Gehalt für ein bis zwei Sozialarbeiterinnen über mehrere Jahre zu übernehmen. Rund 170.000 DM sind bis jetzt in dieses Projekt geflossen.

Die Aktion Bombay, ihre Arbeit und ihre Projekte heute

In der Aktion Bombay hat man schon früh erkannt, dass eine Projektpartnerschaft auch die Begegnung der Partner notwendig macht. So wurde 1972 die erste Studienreise nach Indien mit 31 Teilnehmern unternommen, um Projekte zu besuchen und das Land und die Menschen kennenzulernen. Bei den inzwischen neun Studienreisen wohnten die Teilnehmer meist in Missionsstationen und Studienhäusern. So kam es zu vielen Begegnungen mit den Missionaren und engagierten Christen aus allen Bevölkerungsschichten, die über die Probleme vor Ort berichteten. Für die Aktion Bombay ergaben sich so immer neue Möglichkeiten, Projekte anzugehen, mit denen die Lage von benachteiligten indischen Arbeitern und Arbeiterinnen verbessert werden konnte.

Bei der Studienreise 1997/98 traf die Reisegruppe Br. Noel Oliver SJ, den Leiter des St. Joseph Technical Institute in Puna. Er berichtete von seiner Idee, Jugendlichen auf dem Lande, die keinen Schulabschluss haben, eine zweijährige Ausbildung als Mechaniker und Schweißer zu ermöglichen. In kleinen Werkstätten im Ahmednagar District solle die praktische und an der technischen Schule der Jesuiten in Shrirampur die theoretische Ausbildung erfolgen. Durch diese Maßnahme möchte er verhindern, daß immer mehr Menschen in die Städte gehen, wo sie nur Gelegenheitsarbeiten bekommen können und in Slums leben müssen. Auf dem Land haben die jungen Menschen dagegen nach dieser Ausbildung bessere Chancen, einen Job zu finden und in stabilen sozialen Verhältnissen zu leben.

Das Kuratorium der Aktion Bombay hat seinem Projektantrag mit Kosten von 12.000 DM für zwei Jahre zugestimmt und so konnten 20 Jugendliche in diese Ausbildungsmaßnahme aufgenommen werden. Zum Jahresende 2001 haben bereits 148 Jugendliche an der Ausbildung teilgenommen, 80 davon haben sie auch erfolgreich abgeschlossen und die meisten davon einen Arbeitsplatz erhalten. Die anderen sind aus unterschiedlichen Gründen ausgeschieden. Viele, weil sie durch Gelegenheitsarbeiten zum Unterhalt ihrer Familien beitragen mussten. Inzwischen sind weitere 20.000 DM für dieses erfolgreiche Projekt nach Indien überwiesen worden.

Neben der technischen Bildung war die Heranbildung von Arbeiterführern, die in der indischen KAB und den Gewerkschaften tätig sein sollten, ein Anliegen der Aktion Bombay. So kam es schon sehr früh zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der KAB in Bombay und später mit der Nationalleitung der indischen KAB, bei der viele kleine Projekte zur Ausbreitung der KAB und zur Fortbildung der Verantwortlichen finanziell unterstützt werden konnten. Der frühere Nationalpräsident Peter Gomes (Bombay) und die jetzige Vizepräsidentin der WBCA Monica Mascarenhas (Pune) sind gute Freunde der Aktion Bombay. Ein Brückenschlag zwischen indischen und deutschen Arbeitnehmern ist durch diese Partnerschaft mit der KAB Indiens entstanden.

Wie geht die Aktion Bombay in die Zukunft?

Die Aktion Bombay feiert im Jahre 2002 ihr 45jähriges Bestehen und hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten viel erreicht. Über 1,7 Mio DM an Spendengeldern der vielen CAJ- und KAB-Gruppen, von Einzelpersonen und durch die Rexroth-Stiftung konnten als Entwicklungshilfe an die indischen Partner weiter geleitet werden.

Die Studienreisen der Aktion Bombay nach Indien und der Besuch indischer Freunde und Partner in Deutschland ermöglichten ein besseres Verständnis füreinander und festigten die Zusammenarbeit, auch wenn es zwischendurch auf Grund der kulturellen Unterschiede auch Rückschläge gab. Doch die Erfolge überwiegen und machen Mut, den vor über 45 Jahren begonnenen Weg fortzusetzen. Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch geändert und durch die Globalisierung ist eine neue Situation entstanden. Heute müssen zwar keine Inder mehr zur Ausbildung nach Deutschland geholt werden, aber im Land selbst gibt es noch viel zu tun, um Frauen und Männern aus ärmeren Bevölkerungsgruppen eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben zu geben.

Und hier schließt sich der Kreis mit dem Geschehen von damals, als der junge Kaplan aus Bombay nach Deutschland kam. Auch heute stellt sich Frage: Wird es Menschen geben, die bereit sind, Entwicklungshilfe durch die Aktion Bombay zu unterstützen, wenn die Partner aus Indien ihre Anliegen vortragen? Und: Finden sich wie damals Menschen, die ehrenamtliche Aufgaben übernehmen, damit das weitergeführt werden kann, was in 45 Jahren Aktion Bombay gewachsen ist?

(Gerd Hilbert, Vorsitzender der Aktion Bombay, Sept. 2002)

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